Weihnachtslieder wieder selber spielen

So manche Bach-Choräle sind nicht leicht zu spielen

Sooft ich als Herausgeber auf Bachliebhaberinnen und -liebhaber treffe, muss ich feststellen, dass kaum jemand geneigt ist, im Rahmen von Hausmusik praktischen Gebrauch etwa von der bekannten Sammlung der  » 371 vierstimmige(n) Choralgesänge «  Bachs am Klavier zu machen. Das muss umso mehr verwundern, als sich unter diesen Chorälen vielfach wahre Juwele befinden.

Nun ist die Spielbarkeit der vierstimmigen Sätze zwar auf der Kirchenorgel durch Hinzunahme des Pedals wesentlich erleichtert; denn beide Hände brauchen nur die drei oberen Stimmen zu übernehmen. Doch am Klavier und ebenso am modernen Digitalpiano versagt diese Möglichkeit der Entlastung. Zudem stehen jedenfalls für Amateurinnen und Amateure die häufig übergroßen Griffabstände von Nonen und Dezimen einer flüssigen Spielweise sehr im Wege.

Ein Beispiel zum Vergleich von originalem mit bearbeitetem Choralsatz

- Notenbilder vor und nach Bearbeitung -

 

Der polyphone Stimmenaufbau macht's möglich

Damit nun trotzdem für Bachliebhaber ein leichter Einstieg in das Klavierspiel von Bachchorälen möglich ist, das Spiel also durchgreifend erleichtert wird, habe ich eine Bearbeitung der mir als besonders wertvoll erscheinenden Bachchoräle vorgenommen. Was mit keiner anderen Musikgattung möglich wäre, gelingt überraschenderweise bei polyphoner Musik. Dank des polyphonen Aufbaus Bach'scher Musik lassen sich die vier Stimmen bei einer Reihe von Chorälen fast beliebig in ihrer Höhenlage vertauschen. Und so kann auch die Melodie­stimme oft problemlos in die Stimmlage des Tenors wechseln.

Zu Zeiten J. S. Bachs mochte das Verlangen nach leichter Spielbarkeit auch der anspruchsvolleren Musikstücke kein Thema gewesen sein; denn damals brauchte solche Musik nur für berufsmäßig Musizierende geschrieben zu werden. Den hohen Anteil praktizierender Musikliebhaber haben erst die späteren Jahrhunderte hervorgebracht. Musikliebhaber belassen es allerdings naturgemäß oft bei unfertiger Perfektion. Es geht ihnen ja zuerst um die vertiefende Wirkung des Musikerlebens durch Selber-Spielen.

So erklärt sich mein Bestreben, es Liebhaberinnen und Liebhabern Bach'scher Musik - vielleicht sogar Neueinsteigern und "Wiederanfängern" - zu ermöglichen, lieb gewonnene Musikstücke auf spiel­technisch leichtere Weise selber zu spielen, ohne wesentliche Abstriche an der klanglichen Qualität der Stücke hinnehmen zu müssen. Überhaupt möchte ich das "Selberspielen" fördern. Diesem Wunsch verdanken die vorgelegten Bach-Bearbeitungen ihre Entstehung.

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©dahl 2018